“Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.” (F. Picabia)
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Unternehmenskultur
Wieviel Hierachie-Denken brauchen wir
noch?
Kompetente, dynamische junge Mitarbeiter mit dem Willen
etwas zu bewegen laufen innerhalb ihrer Unternehmen
immer noch gegen die Mauern der Hierarchie.
Regensburg. Es sind junge, dynamische und kompetente Mitarbeiter, die sich auf dem
neuen Berufsmarkt bewegen. Sie sind zum Teil schon digital natives und bringen
Kompetenzen und Selbstverständlichkeiten im Umgang mit Medien, Technik und PC-
Programmen mit, bei denen manch ältere Kollegen nur staunen können. In der
Ausbildung und im Studium haben sie von ihren Ausbildern und Dozenten viele
Kompetenzen mitbekommen und viele können auch wirklich etwas. Sie sind
selbstbewusste, eigenverantwortliche Persönlichkeiten, die ihren individuellen Weg
gehen wollen und die nicht um jeden Preis alles machen. Sie verhandeln gut, setzen ihre
Interessen durch, sind freier und kreativer aufgewachsen als die vorherigen
Generationen. Weit seltener haben sie das traditionelle Hierarchiedenken der strengen
Großvätergeneration erlebt, das sieht man oftmals an ihrer flapsigen
Kommunikationsart: Die Anrede ihrer Emails beginnt in der Regel mit „Hallo, [ohne
namentliche Anrede versteht sich…]“, das muss reichen. Traditionelle Höflichkeitsformeln
und Anreden sind für sie Geschichten aus dem vorigen Jahrhundert.
Diese Berufseinsteiger beginnen nun in einem Unternehmen zu arbeiten. Und auf einmal
gibt es ein Problem. Mit dem Eintritt in ein klassisch gewachsenes Unternehmen geprägt
vom herkömmlichem Hierarchieverständnis stoßen oftmals zwei Welten aufeinander: die
dynamischen „jungen Wilden“ treffen auf die „Alten Hasen“, kreative Kompetenzenergie
und Rebellion sehen sich mit gesetzter Lebenserfahrung und Respektforderung
konfrontiert.
Ein Blick auf die beiden Parteien lohnt sich: Nicht jeder „alte Hase“ ist begeistert, wenn da
ein dahergelaufener Jungspund kommt und das langjährig Erfahrene und praktisch
Bewährte in unkonventioneller Art und Weise in Frage stellt. Er stellt fest, dass seine
Erfahrung von den Jungen nicht als Wert geschätzt, sondern sogar als altmodisch und
überkommen abgestempelt wird. Hinzukommt das leise Bewusstsein, dass er den Jungen
als alter Hase bei manchen technischen Dingen nicht das Wasser reichen kann.
Und die jungen Wilden? Bisher hatten sie kein Problem mit Widerspruch und Austausch
und sie wollen ja alles richtig machen: Sie bringen sich ein, kritisieren und verbessern,
unbedacht und flapsig frei von der Leber weg. Doch da haben sie nicht mit dem
vorhandenen System gerechnet. Denn häufige Reaktionen, die sie mancherorts ernten,
sind diese, dass sie erst einmal in ihre Grenzen gewiesen werden. Mittels hierarchischen
Gebarens und subtilem Aufzeigen von Grenzen wird ihnen schnell ein Platz in dem
System zugewiesen: ein Platz, an dem sie sich die „Sporen erst verdienen müssen“.
Hierarchiedenken und hierarchisch geprägte Entscheidungsprozesse, im Sinne des „der
Meister sagt, was zu tun ist“, werden hier genutzt, um die Rebellion zu unterbinden und
das System vermeintlich im Griff zu behalten.
Der Erfolg solchen Durchsetzens ist allerdings zweifelhaft, denn wenn Hierarchie- und
Entscheidungsbefugnisse heutzutage missbraucht werden, rein um sich durchzusetzen
und den persönlichen Status zu bewahren, führt es zu Verlust des Respekts und zu Frust
auf allen Seiten. Die jungen Wilden werden ausgebremst, die alten Hasen hinsichtlich
ihrer Erfahrung nicht ausreichend befragt: ein klassisches Generationenproblem.
Hinzukommt, dass manchmal auf Kosten der persönlichen Interessen nicht immer die
besten Lösungen für ein Problem mit Blick auf die Unternehmensinteressen entwickelt
und umgesetzt werden.
Gelingt es hingegen beiden Seiten, die variierenden Unterschiede, die langjährige
Erfahrung der alten Hasen und die kompetente Unkonventionalität und Kreativität der
jungen Wilden in gemeinsamen Abstimmungsprozessen zu vereinen und sie in
konstruktiven Auseinandersetzungen zu bündeln, dürften Unternehmen sich als kluge
und lernende Systeme erleben.
Beide Seiten tun gut daran, Bereitschaft zeigen, dem anderen zuzuhören, die Perspektive
des anderen zu durchdenken und stets im Sinne des besten Ergebnisses für das
Unternehmen (anstatt des eigenen Interesses) zu handeln. Langjährige Erfahrung ist mit
keinem Geld der Welt zu bezahlen und kreative Innovation bedarf eines freien,
andersdenkenden Geistes.
Und wenn allen Mitarbeitern eines Unternehmens diese Symbiose gelingt, dann haben
herkömmliche und stark hierarchische Systeme, die nur statusbedingte anstatt
kompetenzbasierte Entscheidungen treffen, ausgedient.
Es wird Platz gemacht für neue, konstruktivere Arten der Zusammenarbeit, in denen die
Kompetenzen und Fähigkeiten jedes Einzelnen bewusst sind, eingesetzt und als Chance
zum Erfolg sowie zur Weiterentwicklung eines Unternehmens verstanden werden.
Klug ist wohl der - ob alter Hase oder junger Wilder -, der sich an den Gedanken G.
Hauptmanns hält: „Sobald jemand in einer Sache Meister geworden ist, sollte er in einer
neuen Sache Schüler werden.“