“Kultur isst Strategie zum Frühstück.” P. Drucker
Publikationen
Unternehmenskultur
Die Schuldigen-Kultur
Wie Sie Ihre Mitarbeiter in kürzester Zeit verunsichern,
demotivieren und sicherstellen, dass sie nur noch Dienst nach
Vorschrift machen.
Regensburg. Woher kommt eigentlich die Überzeugung in unserer Gesellschaft, dass eine
detailgetreue Fehleranalyse mit Druck und Auffinden der Schuldigen zu besseren
Ergebnissen in Unternehmen führt? Liegt es am zugrundeliegenden Bildungssystem, in
dem unter der glatten Eins, einer perfekten Arbeit, in der alles richtig sind, „0 F.“ steht? Es
bedeutet „Null Fehler“. Warum schreibt keiner „A.R“ (=„Alles richtig“)? Sind wir so sehr auf
die Suche nach dem Fehlerhaften und den Schuldigen getrimmt?
Ein Blick in den Unternehmensalltag spiegelt das gleiche Prinzip wider. Überall bestückt
man fleißig die Anklagebank. Man sucht bei Misserfolgen zuerst die Fehler und dann die
Schuldigen, die diese verursachten.
Und wie soll es anders sein: Es passieren Fehler, z.B. steht die Produktion still, weil die
Software hängt. Abstruse, unter dem Marktdruck ächzende Angebote werden
durchgeboxt, die in der Realität gar keinen Bestand haben können, damit um Teufel
komm raus, der Vertrag vom Kunden unterschrieben wird. Testergebnisse und Zahlen
werden derart „angepasst“, sodass sie den gewünschten Zahlen der Obrigkeit
entsprechen.
Und wenn ein Misserfolg auftaucht, beginnt das Fingerpointing: „Er war es, […nicht ich!].“
Man analysiert, hinterfragt und eskaliert bei Bedarf nach Oben. Je höher die Themen im
Unternehmen wandern, desto höher wirkt der Druck auf die Beteiligten. Die Herren und
Damen der oberen Etagen wollen wissen, „wie das passieren konnte“. Die natürliche
Reaktion der Betroffenen ist dann: Kopf einziehen, unsichtbar machen und bloß keine
Angriffsfläche bieten. Ein Indikator für die wachsende Verunsicherung sind die Kopfzeilen
der Emails: Je größer die Anzahl der Vorgesetzen und Entscheider, die in CC gesetzt sind,
desto größer ist die Angst vor der Anklage. Es geht um die präventive Absicherung des
eigenen Handels - für den Fall, dass jemand Rechenschaft verlangen könnte.
Im schlimmsten Fall folgt auf die Eskalation ein Schuldurteil und eine
Personalentscheidung in Form von sofortiger Entlassung, was zu noch mehr Schweigen
und Verstummen unter den Mitarbeitenden und schlichtweg zur Angstkultur führt.
Amüsanter Weise wundern sich die Vorstandsetagen im Anschluss an solche Prozesse,
warum ihnen keiner mehr die Wahrheit sagt, warum sie als letzte von Problemen
erfahren und niemand mehr bereit ist Entscheidungen im Sinne des Unternehmens zu
treffen und zu vertreten.
Natürlich ist klar, dass Fehler in Systemen Probleme bereiten, dass sie Geld kosten und
ggf. Existenzen gefährden. Aber klar sollte auch sein, dass keiner absichtlich und gerne
Fehler macht.
Trotzdem kommt es in den seltensten Fällen vor, dass sich ein Vorgesetzter oder gar ein
Vorstand für einen Fehler und einem damit verbundenen Misserfolg aufrichtig bedankt.
Eigentlich wäre das genau die richtige Reaktion. Denn derjenige, dem der Fehler
unterlaufen ist, hat etwas Bemerkenswertes aufgedeckt: Etwas im System läuft
suboptimal, es gibt ein Leck, welches behoben werden muss. Weniger nach hinten,
sondern nach vorne schauen, um das Leck zu schließen, anstatt während der
Schuldsuche hoffnungslos abzusaufen.
Ein Versuch ist es wert. Ein aufrichtiger Dank bei demjenigen dem der Fehler unterlaufen
ist führt zu ungläubigem Staunen und anschließend zu Erleichterung. Dazu ein
humorvoller Umgang mit dem Fehler und auch mal darüber lachen können, um
anschließend in eine echte konstruktive Lösungsarbeit zu gehen: Was benötigt das
Thema, um gut gelöst zu werden? Wer kann dabei unterstützen? Wer hat Erfahrung
darin? Was genau benötigt der Kollege oder Mitarbeiter, um das Problem zu lösen -
Wissen, Informationen, Entscheidungen, Zeit, Kooperationen, Qualifikationen oder
Technik?
Mit diesem Vorgehen gewinnt man mehrere Dinge zugleich: mutige, anstatt verängstigte
Mitarbeiter, Mitarbeiter, die nichts verheimlichen, sondern auf Risiken und Potentiale
aufmerksam machen, Mitarbeiter, die in Lösungen denken und selbige entwickeln und
ganz nebenbei - aber das braucht Zeit! - zugleich eine angstfreie, vertrauensvolle
Unternehmenskultur, in der miteinander gesprochen und offen diskutiert wird und in der
eine konstruktive „Danke, Fehler! Ihr-seid-Chancen-Haltung“ vorherrscht.
Mit Blick auf den Unternehmenserfolg treten die positiven Seiteneffekt auf, dass sich die
Mitarbeiter mit ihren Aufgaben identifizieren, dass sie Verantwortung übernehmen und
auch an Unternehmenserfolgen interessiert sind. Das Unternehmen gewinnt Mitarbeiter,
die gerne in die Arbeit kommen, weil sie ein funktionierendes, vertrauensvolles Umfeld
erleben und sich gerne dauerhaft an ihr Unternehmen binden. Ganz nebenbei
entwickeln sie zugleich ein KVP-Management, in dem Informationsfluss, konstruktives
Miteinander möglich und kontinuierliche Verbesserungen Realität sind.
Das entspräche - anstatt einer Schuldigen - einer Mut-& Verantwortungskultur in
Unternehmen!